Checkliste Beweismittel
Für Betroffene von häuslicher Gewalt ist es wichtig, Beweise möglichst zeitnah zu sammeln. Neben ärztlichen Dokumentationen von sichtbaren körperlichen Verletzungen und Spuren nach sexueller Gewalt haben besonders Zeugenaussagen einen hohen Stellenwert, vor allem wenn es keine Augenzeugen gibt.
Egal, welche Form der Gewalt Sie erlebt haben, es ist wichtig, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Auch psychische Symptome können einen wichtigen Hinweis auf Gewalthandlungen geben. Viele bereuen später, dass sie diesen Weg nicht gegangen sind und keine ärztliche Dokumentation der Gewaltfolgen haben. Eine Anzeige bei der Polizei ist nicht Voraussetzung dafür.
Wenn Sie körperliche Verletzungen haben oder es Spuren nach sexueller Gewalt gibt, ist es gut, eine ärztliche Dokumentation als Beweismittel in einem Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren, beim Jugendamt oder der Ausländerbehörde vorzulegen. Verletzungen heilen, aber Dokumentationen bleiben. Auch wenn Sie sie nicht sofort nutzen wollen, können Sie später noch auf diese ärztliche Dokumentation zurückgreifen. Alle Ärzt*innen unterliegen der Schweigepflicht. Sie entscheiden grundsätzlich selbst, ob Sie die Dokumentation nutzen. Das Gericht kann aber per Beschluss die Herausgabe der Dokumentation von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin verlangen. Ohne das geschulte ärztliche Auge lässt sich die Verbindung zwischen Verletzungen, Symptomen und erlebter Gewalt oft nur sehr schwer nachweisen. Eine Gehirnerschütterung, innere Verletzungen nach sexueller Gewalt und viele andere Verletzungen können auf den ersten Blick z.B. nicht sichtbar sein und Sie benötigen daher eine ärztliche Dokumentation der Gewaltfolgen, um glaubhaft zu machen, was Ihnen passiert ist. Auch Spuren von sexueller Gewalt können oft nur von medizinischem Fachpersonal erkannt werden. Um eine solche ärztliche Dokumentation zu bekommen, können Sie sich z.B. an Ihre Hausarztpraxis oder eine Zentrale Notaufnahme in einem Krankenhaus wenden. An vielen Orten gibt es aber auch Gewaltschutzambulanzen oder rechtsmedizinische Institute, in denen diese Dokumentationen von spezialisiertem ärztlichem Personal gemacht werden.
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Es ist eine gute Idee, alle Gespräche, die Sie mit der gewalttätigen Person geführt haben, aufzubewahren (E-Mails, SMS, WhatsApp-Chats, Facebook-Messenger-Nachrichten, TikTok, Kommentare in allen sozialen Medien usw.). Sie sollten auch, sofern dies gefahrlos möglich ist, z. B. WhatsApp-Unterhaltungen mit anderen Leuten aufbewahren, in denen Sie über gewalttätige Vorfälle berichtet haben.
Es kann sein, dass Sie die Gewalt in diesen Gesprächen nicht bemerken, weil sie normal geworden ist, aber eine andere Person kann möglicherweise deutliche Hinweise auf häusliche Gewalt sehen. Es ist eine gute Idee, diese Beweismittel zu speichern, z. B. auf Ihrem eigenen Speicherstick oder an einem Ort, zu dem nur Sie Zugang haben.
Sie sollten so vielen Menschen wie möglich von der Gewalt, die Sie erlebt haben, und von Ihren eigenen Gefühlen erzählen. Je früher Sie davon erzählen und darüber sprechen, desto besser. Die Personen, denen Sie von dem Vorfall erzählt haben, könnten später als Zeugin/Zeuge aussagen. Bei einer möglichen Verhandlung kann es auch eine Rolle spielen, was Sie in der Zeit nach einem Vorfall unternehmen und mit wem Sie sprechen.
Wenn Sie die Situation z.B. verschiedenen Behörden oder Fachleuten berichtet haben (z.B. Jugendamt, Arzt), werden deren Aufzeichnungen und Aussagen oft in die Ermittlungen der Polizei und Staatsanwaltschaft einbezogen. Behörden und Therapeutinnen/Therapeuten können um eine Stellungnahme dazu gebeten werden, wie sie die Auswirkungen auf das Opfers wahrgenommen haben. Dabei wird von Ermittlungsbehörden auch bewertet, inwieweit es Übereinstimmungen oder Abweichungen mit den Angaben des Opfers gibt.
Es kann auch hilfreich sein, mit Nachbar*innen zu sprechen, weil sie oft etwas mitbekommen und dies als Zeugen aussagen könnten.
Mit Smartphones ist das Sammeln von Beweismitteln ganz einfach. Es ist empfehlenswert, Fotos von den Spuren der Gewalt zu machen- sei es am eigenen Körper, der Wohnung, den Gegenständen und der Kleidung. Telefongespräche und Vorfälle können aufgezeichnet und auf Video festgehalten werden.
Sie können auch Fotos von Ihrer Wohnung und Ihrem Eigentum nutzen, um zu belegen, dass diese beschädigt oder gestohlen wurden. Wenn Sie zum Beispiel in eine Schutzeinrichtung gehen, ist es nicht ausgeschlossen, dass ihre Partnerin oder ihr Partner die Wohnung oder einzelne Gegenstände beschädigt.
Es ist eine gute Idee, diese Beweismittel zu speichern, zum Beispiel auf Ihrem eigenen Speicherstick oder an einem Ort, zu dem die gewalttätige Person keinen Zugang hat.
Leider werden häufig auch Haustiere Opfer von Gewalt. Auch ein Haustier hat ein Recht auf die ärztliche Behandlung von Verletzungen. Die Aussage der Tierärztin oder des Tierarztes unterstützt die Berichte über das Verhalten der gewalttätigen Person. Wird Gewalt gegen Haustiere ausgeübt, kann die Dokumentation von Verletzungen durch einen Tierarzt als Beweismittel für gewalttätiges Handeln dienen.
Beachten Sie bitte, dass der Tierarzt zwar unter Schweigepflicht steht, aber bei Verdacht auf eine Straftat nach § 17 Tierschutzgesetz (TierSchG), eine Anzeige bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht oder dem Veterinäramt erstatten könnte.Wenn Sie Sorge haben, dass dadurch eine Gefährdung für Sie entsteht, sprechen Sie mit ihm über Ihre Sicherheit.
Auch ein Tagebuch kann als Beweismittel verwendet werden. Sie können in einem Tagebuch über die Gewalterfahrungen schreiben, die Sie erlebt haben. Menschen neigen dazu, Dinge zu vergessen, und Erinnerungen an Details können sich im Laufe der Zeit ändern; darum lohnt es sich, konkrete Vorfälle und Ihre Gedanken und Gefühle zeitnah festzuhalten.
Wenn Sie eine Strafanzeige erstatten oder mit dem Jugendamt sprechen, werden Sie nach dem genauen Datum, der Uhrzeit und dem Ort des Ereignisses gefragt, also sollten Sie diese Angaben notieren (zum Beispiel auch in einem Kalender, wenn Sie das Tagebuch nicht immer bei sich haben). Sie können natürlich auch ihr Handy als Tagebuch oder Kalender verwenden oder die Diktierfunktion Ihres Gerätes nutzen, um sich Sprachnotizen zu machen.
Wenn es Kinder in der Familie gibt, leiden sie oft ebenfalls stark unter der Gewalt. Dies kann sich in ihrem Verhalten zeigen. Sie können zum Beispiel Schwierigkeiten haben, sich in der Schule zu konzentrieren oder sie sind unruhig, aggressiv oder depressiv und ziehen sich vielleicht zurück. Deshalb ist es auch gut, denjenigen, die an der Betreuung und Erziehung des Kindes beteiligt sind, von der Gewalt zu erzählen, damit die Fachkräfte die Signale des Kindes mit der erlebten oder beobachteten Gewalt in Verbindung bringen können.
Lehrer*innen, Erzieher*innen und z.B. Sporttrainer*innen können somit möglicherweise auch vor Gericht oder bei er Polizei als Zeug*innen aussagen. Auch der Kinderschutz und das Jugendamt sind eine wichtige Anlaufstelle, wenn es um den Schutz der Kinder geht. Für eine erste Hilfe können Sie auch das Elterntelefon anrufen und sich beraten lassen.
Manchmal geht es in Gerichtsverfahren um die Eigentumsverhältnisse bei Gegenständen und Immobilien, also wem welche Gegenstände, Autos, Möbel, Wohnungen etc. gehören. Bewahren Sie die Quittungen der Dinge auf, die Sie gekauft haben, damit Sie damit Ihr Eigentum von diesen Gegenständen beweisen können. Auch Informationen zu einem Bankkonto können wichtig werden: So können Kontoauszüge als Beweismittel für finanzielle Gewalt dienen. Es ist ratsam, diese aufzubewahren, zum Beispiel auf Ihrem eigenen Speicherstick oder an einem Ort, zu dem nur Sie selbst Zugang haben.
Protokollinformationen über Ihre Anrufe und Standortinformationen können wertvolle Informationen für den Nachweis einer Verfolgung liefern. Speichern Sie Ihre eigenen Protokolldaten. Es ist gut, diese Beweismittel zu speichern, zum Beispiel auf Ihrem eigenen Speicherstick oder an einem Ort, zu dem nur Sie Zugang haben.
Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie eine Straftat anzeigen wollen oder nicht. Eine Strafanzeige kann elektronisch oder in einer Polizeidienststelle erstattet werden. Wenn Sie im Gefahrenfalle die Polizei unter dem Notruf 110 rufen, ermittelt die Polizei anschließend von sich aus, ohne dass Sie eine Anzeige erstatten.
Zeigen Sie der Polizei Ihre gesammelten Beweismittel und benennen Sie mögliche Zeugen oder Zeuginnen. Sie können sich aber auch zuerst von einer Beratungsstelle beraten lassen und sich ggf. einen Anwalt bzw. eine Anwältin suchen.