Psychische Gewalt
Psychische Gewalt (auch psychologische Gewalt genannt) ist bei allen Formen von Gewalt vorhanden und kann schwer zu erkennen sein. Psychische Gewalt kann die einzige Form von Gewalt in einer engen Beziehung oder mit anderen Formen von Gewalt kombiniert sein. Das Erkennen psychischer Gewalt ist schwierig, da sich eine gewalttätige Person in der Gesellschaft von Freund*innen und Bekannten freundlich und höflich verhalten kann, sich jedoch völlig verändert, wenn keine Außenstehenden anwesend sind.
Eine häufige Form psychischer Gewalt besteht darin, den Partner oder die Partnerin daran zu hindern, Verwandte und Freund*innen zu treffen. Es handelt sich um psychische Gewalt, wenn der Partner oder die Partnerin entmutigt und ihm/ihr fälschlicherweise die Schuld gegeben wird. Psychische Gewalt kann in der Regel das Anschreien, Beleidigen, Beschuldigen, Drohen, Erniedrigen, Kontrollieren, Isolieren, eifersüchtiges oder aggressives Verhalten, das Werfen/Zerbrechen von Gegenständen, das Beschränken des Zugangs, das Erteilen von Rechten und die Einschränkung des sozialen Lebens des Partners oder der Partnerin umfassen.
Begriffe im Zusammenhang mit psychischer Gewalt
Zwangskontrolle beschreibt eine systematische Reihe von Gewalthandlungen, die darauf abzielen, eine andere Person zu unterwerfen und zu kontrollieren. Unter Zwangskontrolle versteht man ein Verhaltensmuster, das eine Person anwendet, um Dominanz und Kontrolle über eine andere Person in einer intimen oder familiären Beziehung aufzubauen.
Dabei handelt es sich um Taktiken, die darauf abzielen, die betroffene Person zu manipulieren, zu dominieren und ihr Angst einzuflößen, was letztendlich ihre Autonomie und Freiheit untergräbt. Zwangskontrolle umfasst oft eine Reihe missbräuchlicher Verhaltensweisen, wie emotionale Manipulation, Isolation von Freund*innen und Familie, finanzielle Kontrolle, Überwachung, Einschüchterung, Drohungen sowie körperliche oder sexuelle Gewalt.
Der Täter oder die Täterin wendet diese Taktiken im Laufe der Zeit systematisch an und untergräbt nach und nach das Selbstwertgefühl, die Unabhängigkeit und die persönliche Entscheidungsfreiheit des oder der Betroffenen. Diese Form der Kontrolle beschränkt sich nicht auf Einzelfälle, sondern wirkt als anhaltendes und allgegenwärtiges Muster des Missbrauchs. Ziel ist es, jeden Aspekt des Lebens des oder der Betroffenen zu dominieren und dabei Angst, Einschüchterung und psychologische Manipulation zu nutzen, um Macht und Kontrolle aufrechtzuerhalten.
Zwangskontrolle wird in vielen Bundesländern als schwere Form häuslicher Gewalt und als Straftat anerkannt. Es ist wichtig, das Bewusstsein für Zwangskontrolle zu schärfen, da diese schwerwiegende und langfristige Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Sicherheit des oder der Betroffenen haben kann.
Bei der psychologischen Manipulation, d. h. Gaslighting, wendet der*die Gewalttätige verschiedene Strategien an, um die Wahrnehmung des oder der Betroffenen von Ereignissen, seine/ihre Erinnerungen und sein/ihr Selbstgefühl zu verzerren. Damit soll erreicht werden, dass die Betroffenen dazu gebracht werden, an sich selbst, den eigenen Erfahrungen und Beobachtungen zu zweifeln. Bei diesen Handlungen kann es sich um Behauptungen handeln, dass etwas nicht passiert ist, dass die andere Person sich Dinge nur einbildet, übertreibt, Wahnvorstellungen hat oder sich nicht daran erinnert, was passiert ist.
Gaslighting erfolgt durch anhaltendes Leugnen, Widerspruch, Lügen und Manipulation von Informationen. Ziel des Täters oder der Täterin ist es, Macht und Kontrolle über den oder die Betroffene zu erlangen, indem er oder sie ihn/sie dazu bringt, sein/ihr eigenes Urteilsvermögen, seine/ihre Intuition und seinen/ihren Verstand in Frage zu stellen.
Der Begriff stammt aus einem Theaterstück und anschließendem Film namens „Gas Light“, in dem ein Ehemann versucht, seine Frau davon zu überzeugen, dass sie verrückt wird, indem er ihre Umgebung manipuliert.
Gaslighting kann das geistige und emotionale Wohlbefinden des oder der Betroffenen tiefgreifend beeinträchtigen. Es kann zu Selbstzweifeln, Verwirrung, Angstzuständen, Depressionen und einem Verlust des Selbstwertgefühls führen. Das Erkennen von Gaslighting-Verhalten ist für den Einzelnen von entscheidender Bedeutung, um sich vor manipulativen und missbräuchlichen Beziehungen zu schützen.
Unter Misshandlung versteht man ein unerwünschtes Verhalten, das der anderen Person Leid zufügt. Dabei kann es sich um vorsätzliche, unbeabsichtigte, einmalige, andauernde körperliche oder psychische Gewalt handeln.
Vernachlässigung ist eine Form der Gewalt, bei der der Täter oder die Täterin, in der Regel ein Betreuer oder Vormund, die körperlichen oder emotionalen Bedürfnisse der anderen Person, beispielsweise eines Kindes, ignoriert und sich nicht angemessen kümmert.
Gewalt in der Kindererziehung ist in Östereich nach §137 ABGB verboten. Es handelt sich um körperliche und/oder psychische Gewalt, die ein Elternteil, ein anderer Erwachsener oder möglicherweise ein Geschwisterkind gegenüber einem Kind anwendet, um dem Kind körperliche, psychische oder emotionale Verletzungen oder Schmerzen zuzufügen, um es zu bestrafen oder sein/ihr Verhalten zu regulieren oder zu kontrollieren.
Auch wenn es das Ziel der Eltern sein mag, ihre Kinder mit gewaltsamer Disziplin zu „erziehen“ und zu unterrichten, trägt dies nicht dazu bei, ein Gewissen, sondern Angst vor Strafen zu entwickeln. Kinder lernen möglicherweise, bestimmte Verhaltensweisen zu vermeiden, nicht weil sie verstehen würden, warum es verboten ist, sondern weil sie nicht verletzt werden wollen.
Körperliche Strafen werden Kinder nicht ermutigen, und sie können ihr Selbst, ihre Identität und ihre Würde ernsthaft und nachhaltig schädigen und somit noch weitere Schwierigkeiten im Erwachsenenalter verursachen.
Von stiller Behandlung spricht man, wenn eine Person absichtlich die verbale und nonverbale Kommunikation mit einer anderen Person einstellt. Wenn es häufig vorkommt oder lange dauert, handelt es sich um eine Form psychischer oder emotionaler Gewalt.
Die stille Behandlung wird manchmal verwendet, um die andere Person dazu zu bringen, sie zurückzustellen oder zu bestrafen, indem jegliche Form von Aufmerksamkeit oder Zärtlichkeit vorenthalten wird, ein menschliches Grundbedürfnis. Es ist eine sehr verletzende und effiziente Manipulationstaktik, da Gehirnstudien ergeben haben, dass eine solche Ausgrenzung tatsächlich Schmerzen verursacht.
Auswirkungen auf das Wohlbefinden
Psychische Gewalt kann schwerwiegende und lang anhaltende Auswirkungen auf die psychische Gesundheit, das Wohlbefinden und zukünftige Beziehungen haben und sogar über mehrere Generationen durch Kinder, die dieser ausgesetzt waren, übertragen werden. Darüber hinaus besteht für Kinder, die Gewalt ausgesetzt sind, ein hohes Risiko, im Erwachsenenalter traumatisiert, schikaniert oder selbst zu Tätern oder Täterinnen zu werden.
Solche schlimmen Probleme wie häusliche Gewalt und insbesondere psychische Gewalt, die lange unerkannt bleiben können, erfordern bewusste Maßnahmen, um den oder die Betroffene und Täter oder Täterin dabei zu unterstützen, Maßnahmen zu ergreifen und ihren Heilungsweg zu beginnen.
Die Herausforderung besteht darin, dass psychische Gewalt oft in kleinen Momenthandlungen stattfindet und schwer zu erkennen ist. Oft übernehmen die Täter oder Täterinnen die Position eines Betreuers bzw. einer Betreuerin in der Beziehung und werten die Erfahrungen des oder der Betroffenen ab. Diese Scham und die Angst, nicht ernst genommen zu werden, hindern den oder die Betroffene daran, Anzeige zu erstatten oder Hilfe zu suchen.
Fast jede zweite befragte Frau in der gesamten EU hat im Laufe ihres Lebens psychischen Missbrauch erlebt. In den USA gaben 66% der Betroffenen von häuslicher Gewalt an, dass die Täter oder Täterinnen sie am Arbeitsplatz durch Telefonanrufe und E-Mails belästigt hätten.
Auch wenn psychische Gewalt eine so subtile Form häuslicher Gewalt ist, deuten die Statistiken über die vielfältigen negativen Auswirkungen darauf hin, dass ernsthafte Interventions- und Präventionsmaßnahmen seitens der Akteure im öffentlichen Sektor erforderlich sind.
Während die Sensibilisierung und der Aufbau von Unterstützung noch kleine Schritte machen, gibt es in mehreren Bereichen innerhalb der EU viele positive Entwicklungen.
Im Strafgesetzbuch ist psychische Gewalt nicht als eigenständiger Straftatbestand definiert. Allerdings können Handlungen, die als psychische Gewalt eingestuft werden, unter bestimmten Umständen andere Straftatbestände wie Nötigung (§ 105 StGB),Gefährliche Drohung (§107 StGB) oder Beleidigung (§ 115 StGB) erfüllen. Psychische Gewalt ist auch eng mit den Merkmalen von Stalking verbunden, welches unter Beharrliche Verfolgung strafbar ist (§107a StGB). Psychische Gewalt wird jedoch nur selten bestraft, da die Schwierigkeit darin besteht, sie zu erkennen und zu beweisen, dass die Folgen auf psychische Gewalt zurückzuführen sind.
Bei psychischer Gewalt sind große Anstrengungen erforderlich, damit zunächst der oder die Betroffene die Gewalt erkennt, die Fachkräfte sie erkennen und um wirksame Wege zu finden, um den oder die Betroffene und den Täter oder die Täterin anzuleiten, künftige Gewaltereignisse zu verhindern und angemessene Hilfe zum Überleben zu erhalten.
Indem man sich frühzeitig an einen Arzt oder eine Ärztin und/oder an einen Therapeuten oder eine Therapeutin wendet und offen über das Erlebte und seine Auswirkungen spricht, kann der Nachweis der Ursache-Wirkungs-Beziehung von psychischer Gewalt erleichtert werden.
Damit Sie psychische Gewalt leichter erkennen und entsprechend handeln können, haben unsere zertifizierten Therapeuten und Therapeutinnen in der Checkliste „Psychische Gewalt & Gaslighting“ das Wesentliche prägnant und leicht verständlich erklärt, um sowohl die Betroffenen, Täter und Täterinnen als auch die Ersthelfer und Ersthelferinnen zu unterstützen.
Wenn Sie das Gefühl haben, missbraucht zu werden, ist dieses Gefühl der Anlass, mit jemandem zu sprechen oder weitere Informationen einzuholen. Es ist nie einfach, damit anzufangen, aber wenn man es schafft und unter der Anleitung von Fachkräften fortfährt, können die unerwünschten Auswirkungen psychischer Gewalt verhindert werden.